Abgeschlossenes Projekt

Vermeidung von Kindesverwechselungen im Krankenhaus

Beginn: Dezember 2007
Ende: Januar 2008

Hintergrund

Im Sommer 2007 ist es in einer Geburtsklinik im Saarland zu einer Vertauschung von zwei neugeborenen Mädchen gekommen. Infolge eines Vaterschaftstests ist die Kindesvertauschung etwa ein halbes Jahr später aufgedeckt und über die Medien öffentlich gemacht worden. Vor diesem Hintergrund beauftragte das Saarländische Ministerium für Justiz, Arbeit, Gesundheit und Soziales das DKI mit einer Analyse des Sachverhaltes und der Prüfung von Optimierungsmöglichkeiten über den konkreten Fall hinaus.


Methode

Zur Beantwortung der zentralen Fragen des Gutachtens kamen im Einzelnen die folgenden methodischen Ansätze zum Einsatz: zum einen Dokumentenanalysen, Vor-Ort-Interviews mit ausgewählten Leitungskräften und Mitarbeitern sowie eine Begehung der fraglichen Geburtsklinik im Saarland, zum anderen Experteninterviews mit Vertretern von Fachgesellschaften, Berufsverbänden, Geburtskliniken und Patientenverbänden. Damit sollten insbesondere eine Bestandsaufnahme zur Thematik der Kindesidentifikation in deutschen Geburtskliniken erfolgen sowie Optimierungsmöglichkeiten aufgezeigt werden.


Ergebnisse

Vom üblichen Anlegen des Identifikationsbändchens im Kreißsaal abgesehen, gibt es in deutschen Geburtskliniken kaum formelle oder informelle Standards zur Kindesidentifikation, zur Vermeidung von Kindesvertauschungen oder zum Umgang mit dem Identifikationsbändchen. Daneben bilden eine mangelnde Problemsensibilität mit Blick auf einen möglichen Bändchenverlust sowie eine fehlende Dokumentation von Lockerung, Verlust oder Wechsel des Identifikationsbändchens zentrale Schwachstellen.

Bislang kommen überwiegend Plastik- oder Perlenbändchen zur Kindsidentifikation zum Einsatz, elektronische, biometrische oder grafische Systeme dagegen gar nicht oder nur in Ausnahmefällen. Die Sicherheit von Plastikbändchen und Perlenbändchen wird im Expertenvergleich kontrovers beurteilt, so dass hierzu keine eindeutigen Aussagen getroffen werden können. Da elektronische Systeme in der Regel ein Säuglingsband als Trägereinheit haben, besteht auch hier die Möglichkeit einer Fremd- oder Selbstablösung und insofern kein grundsätzlicher Vorteil im Vergleich zu konventionellen Bändchen. Nur biometrische Systeme ermöglichen bei sachgemäßer Anwendung eine zweifelsfreie Identifikation des Säuglings; hier wären aber insbesondere die soziale Akzeptanz, der Datenschutz sowie die Verhältnismäßigkeit nachdrücklich zu problematisieren.

Mit Blick auf grafische Systeme werden einstweilen aus dermatologischen und praktischen Gründen Bedenken geltend gemacht, vor allem mit Bezug auf Hautverträglichkeit und Haltbarkeit. Gleichwohl erscheint die Entwicklung von in dieser Hinsicht geeigneten Markierungs- oder Farbstoffen als eine praktikable, benutzerfreundliche und kostengünstige Alternative oder eine die Sicherheit zusätzlich erhöhende Ergänzung zu den konventionellen Bändchen.


Fazit

Grundsätzlich ist es positiv zu bewerten, wenn durch alternative Möglichkeiten zur Kennzeichnung von Neugeborenen die Sicherheit erhöht würde. Weiterentwicklungen von hoher Sicherheit, Praktikabilität und Benutzerfreundlichkeit wären daher zu begrüßen. Gleichwohl wären auch bei alternativen Systemen zur Kindesidentifikation einschlägige oder flankierende Prozess- und Dokumentationsstandards nicht obsolet. In den entsprechenden Standards sind insbesondere die folgenden Aspekte eindeutig zu regeln:

Eine generelle Dokuementationspflicht von Bändchenverlust bzw. -wechsel in der Mutter-Kind-Akte erscheint in hohem Maße empfehlenswert. Des Weiteren sollte es standardisierte schriftliche Vorgaben zum Vorgehen bei Bändchenverlust bzw. -wechsel geben. Als flankierende Maßnahmen sind darüber hinaus u.a. die turnusmäßige Kontrolle der Bändchen, deren standardmäßige Überprüfung im Rahmen der Säuglingsübergabe oder die Doppelmarkierung von Neugeborenen sinnvoll.


Gefördert durch:
Saarländisches Ministerium für Justiz, Arbeit, Gesundheit und Soziales

Projektleitung

Dr. Karl Blum
Vorstand, Deutsches Krankenhausinstitut e.V. Leiter Geschäftsbereich Forschung