Psychosoziale Arbeitsbelastungen und Patientenversorgung
Hintergrund
Ärzte gelten als Berufsgruppe, die einem erhöhten Risiko für psychosoziale Arbeitsbelastung (Stress) ausgesetzt sind. Dennoch gibt es nur wenige Studien zu psychosozialen Arbeitsbelastungen bei Ärzten in Deutschland. Darüber hinaus ist der Zusammenhang zwischen Arbeitsbelastung und Patientenversorgung weitgehend unerforscht. Offen ist des Weiteren, inwieweit ärztliche Arbeitsbelastungen durch eine gezielte betriebliche Gesundheitsförderung abgefedert werden können.
Methode
Das Projekt umfasste zwei Forschungsmodule: eine Repräsentativbefragung chirurgisch tätiger Krankenhausärzte (Allgemeinchirurgie und Gynäkologie) zum Zusammenhang von Arbeitsbelastungen, gesundheitlichen Beeinträchtigungen und Patientenversorgung sowie eine Repräsentativbefragung deutscher Krankenhäuser zur betrieblichen Gesundheitsförderung. Durch ein Matching der beiden Erhebungen wurde der Einfluss der betrieblichen Gesundheitsförderung auf Arbeitsbelastungen und Gesundheitszustand der Ärzte untersucht.
Ergebnisse
Bei der Messung psychosozialer Arbeitsbelastungen wurde auf zwei etablierte theoriegeleitete Modelle zurückgegriffen: das Anforderungs-Kontroll-Modell (Karasek) und das Modell beruflicher Gratifikationskrisen (Siegrist). Die psychosozialen Arbeitsbelastungen chirurgisch tätiger Krankenhausärzte sind gemäß dieser beiden Modelle verglichen mit anderen Berufsgruppen bzw. der deutschen Erwerbsbevölkerung vergleichsweise hoch. Daneben zeigte sich, dass entsprechende Belastungen signifikant im Zusammenhang mit allen untersuchten Gesundheitsindikatoren stehen. Besonders stark war der Zusammenhang mit Burn-Out.
Darüber hinaus ließen sich selektiv Zusammenhänge zwischen psychosozialen Arbeitsbelastungen und ausgewählten Aspekten der Patientenversorgung nachweisen. Beispielsweise sind Arbeitsbelastungen im Sinne des Anforderungs-Kontroll-Modells konsistent mit der Selbstwahrnehmung der fachlichen und psychosozialen Versorgungsqualität assoziiert. Auch die Bewertung der Patientenversorgung auf der Station ist konsistent bei Krankenhausärzten mit erhöhten Belastungen schlechter. Dagegen ließen sich keine Zusammenhänge zwischen Arbeitsbelastungen und krankenhausbezogenen Qualitätsindikatoren der Bundesgeschäftsstelle für Qualitätssicherung nachweisen.
Gemäß der Krankenhausbefragung sind vor allem der betriebliche Arbeitsschutz und das Qualitätsmanagement in den deutschen Krankenhäusern weitreichend umgesetzt sind. Dagegen werden verhaltens- und verhältnispräventive Maßnahmen der betrieblichen Gesundheitsförderung im Krankenhaus bislang eher selektiv oder sporadisch durchgeführt. Trotz einer Reihe positiver Ansätze ist die betriebliche Gesundheitsförderung von Mitarbeitern bislang erst in einem Teil der Krankenhäuser explizit von strategischer Relevanz. Zudem werden vorhandene Ansätze bislang eher wenig zu einer systematischen Strategie des betrieblichen Gesundheitsmanagements zusammengeführt oder weiterentwickelt.
Nach dem Matching von Arzt- und Krankenhausbefragung führt das betriebliche Gesundheits- und Qualitätsmanagement weder zu einer Reduktion der beruflichen Belastungen von Krankenhausärzten noch verstärkt es ihre Kontrollmöglichkeiten und Gratifikationen. Des Weiteren wirkt es sich weder auf den psychischen und psychischen Gesundheitszustand der Krankenhausärzte noch auf ihre krankheitsbedingten Fehlzeiten aus. Zumindest nach Maßgabe der Matchingergebnisse würde das betriebliche Gesundheits- und Qualitätsmanagement ein Wirksamkeitsdefizit für den ärztlichen Dienst kennzeichnen.
Fazit
Vor diesem Hintergrund ergeben sich für die Weiterentwicklung der betrieblichen Gesundheitsförderung im Krankenhaus zwei zentrale praktische Schlussfolgerungen: Zum einen ist die Verbreitung und Wirksamkeit der betrieblichen Gesundheitsförderung im Krankenhaus insgesamt zu erhöhen. Zum anderen sind Zielgruppen orientiert Gesundheitsförderungsmaßnahmen speziell für die Ärzteschaft zu entwickeln und umzusetzen. Eine erfolgreiche und nachhaltige Implementation der betrieblichen Gesundheitsförderung erfordert ihrerseits die Schaffung einer gesundheitsförderlichen Unternehmenskultur und Unternehmensorganisation sowie die professionelle und systematische Durchführung einschlägiger Gesundheitsförderungsprojekte.
Projektleitung
Leiter Geschäftsbereich Forschung